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Abschätzung des industriellen Abwärmepotenzials in Deutschland

Die Nutzung von Abwärme hat zweifellos ein großes Potenzial für die Energiewende. Doch wie viel Abwärme kann in Deutschland pro Jahr zurückgewonnen werden? Werfen wir einen Blick auf den Industriesektor und schauen wir uns an, was in verschiedenen Branchen in Sachen Wärmerückgewinnung mit bestehenden Technologien passiert.

Die Umsetzung des am 1. Januar 2024 in Kraft getretenen Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze in Deutschland zielt nicht nur darauf ab, das europäische Klimaneutralitätsziel bis 2050 zu erreichen, sondern vor allem auch darauf, ,,für die Gemeinden eine ökologische, ökonomische, sozial verträgliche und versorgungssichere Wärmelösung als langfristige Perspektive darzustellen…‘‘ [1]. Der Schwerpunkt des Gesetzes liegt auf der Förderung von Wärme aus erneuerbaren Energiequellen sowie der Wiederverwendung von Abwärme, insbesondere für Standorte, die viel Abwärme erzeugen, wie Industrieanlagen und Rechenzentren [2]. Ein umfassendes Verständnis des Wärmeverbrauchs und des technischen Abwärmepotenzials des industriellen Sektors in Deutschland ist daher unerlässlich.

Wärmeverbrauch der Industrie in Deutschland

Laut EU-Statistiken [3] verbrauchte der deutsche Industriesektor rund 23 % des deutschen Endenergiebedarfs in 2021 (siehe Abb. 1). Die Anteile des Energieverbrauchs für die verschiedenen Anwendungsbereiche wurden mit Hilfe einer vom Fraunhofer ISI in einer Pilotstudie entwickelten Methode [4] ermittelt. Aus den Daten geht hervor, dass der Verbrauch von Wärme fast 70 % des Gesamtenergieverbrauchs der Industrie ausmacht. Davon ist die Prozesswärme mit einem Anteil von 68 % der größte Anwendungsbereich für den Wärmeverbrauch.

Abb. 1 links: Anteil der Industrie am Gesamtenergieverbrauch | rechts: Anteil der Prozesswärme am Endenergieverbrauch der Industrie nach in Deutschland im Jahr 2021

Um den Wärmeverbrauch der einzelnen Industriesektoren abschätzen zu können, wurde die in [5] vorgestellte Methode angewandt, wobei ein Teil des Stromverbrauchs für Prozesswärme berücksichtigt wurde. Die Ergebnisse sind in Abb. 2 dargestellt. Es zeigt sich, dass in Deutschland der gesamte Wärmeverbrauch der Industrie im Jahr 2021 ca. 460 TWh betrug. Hierbei hat die chemische Industrie den höchsten Wärmebedarf, dicht gefolgt von der Nichteisenmetall- und der Eisen- und Stahlindustrie. Auch andere Industriezweige wie die Lebensmittel- und Papierindustrie haben einen nicht zu vernachlässigenden Bedarf an Wärmeenergie. Bei fast allen industriellen Vorgängen, die Wärme benötigen, lässt sich die Erzeugung von Abwärme nicht vermeiden.

Abb. 2 Wärmeverbrauch der Industrie in Deutschland nach Industriesektoren in 2021 [3]

Industrielles technisches Abwärmepotenzial

Abwärme ist in der Regel mit bestimmten Medien verbunden, z.B. Abgase, Dämpfe, Thermoöl, Prozesswasser usw. [6] Die Vielfalt der Formen, in denen sie auftritt, ist auch einer der Gründe, weshalb sie nicht mit absoluter Präzision bewertet werden kann. In diesem Blogbeitrag bezieht sich das technische Potenzial von Abwärme auf den Anteil der gesamten Abwärme, der durch bestehende Technologien zurückgewonnen und genutzt werden kann. Die Methodik zur Abschätzung der Abwärme nach [5] wurde durch die jährlichen Energieintensitäten (EI-Werte) der einzelnen Industriesektoren in Deutschland für das Jahr 2021 aus der Odyssee-Mure-Datenbank [7] aktualisiert, wodurch sich das Abwärmepotenzial ergibt. In Abb. 3 ist das Abwärmepotenzial in verschiedenen Temperaturstufen unterteilt und für ausgewählte Industriesektoren dargestellt. Insgesamt ergibt sich für Deutschland im Jahr 2021 ein Abwärmepotenzial von etwa 67 TWh, was etwa 15 % des gesamten industriellen Wärmeverbrauchs entspricht. Ein Vergleich mit Abb. 2 zeigt, dass sowohl der Anteil der Abwärme in den verschiedenen Industriesektoren als auch die Abwärmemenge pro Temperaturstufe sehr unterschiedlich sind. Mit Ausnahme der Eisen- und Stahlindustrie, die einen Großteil des Abwärmepotentials von über 200 °C vorweist, liegt bei den meisten Industriesektoren ein Teil oder die gesamte Abwärme im Bereich von 100-200 °C.

Abb. 3 Abwärmepotenzial in Deutschland im Jahr 2021 für verschiedene Industriesektoren und Temperaturniveaus

Die Art der Abwärmenutzung resultiert aus den Eigenschaften der Abwärmequelle, einschließlich Faktoren wie Trägermedium, Temperaturklasse und Kontinuität [6]. Wenn beispielsweise die direkte Nutzung von Abwärme aufgrund räumlicher Beschränkungen nicht möglich ist, kann die Wärmepumpentechnologie, die Wärme von einer Wärmequelle mit niedrigem Temperaturniveau auf eine Wärmesenke mit hohem Temperaturniveau überträgt, eine wirtschaftlich sinnvolle Option für Abwärmequellen mit Temperaturen unter 200°C sein [8]. In diesem Zusammenhang weist hier beispielsweise die Papierindustrie ein großes Potenzial auf.

Fazit

Aufgrund der Vielfalt der industriellen Abwärmeressourcen, der ungleichmäßigen Verteilung der Branchen und der großen Bandbreite an Ressourcenqualitäten sind maßgeschneiderte Analysen für verschiedene Verwertungsszenarien erforderlich. Es ist zu betonen, dass die Standardabweichung der in diesem Blog vorgestellten Ergebnisdaten zum industriellen Wärmeverbrauch und zum Abwärmepotenzial in Deutschland für das Jahr 2021 auf etwa ±33 % [5] geschätzt wird. Wenn eine genauere Abschätzung des Abwärmepotenzials erforderlich ist, muss die Studie auf eine einzelne Branche in einer bestimmten Region beschränkt werden. Es ist daher notwendig, dass die lokalen Industrieunternehmen, die Abwärme liefern, als Akteure der kommunalen Wärmeplanung ihren eigenen Energieverbrauch eingehender analysieren, um erfolgreich an der KWP teilnehmen zu können.

Literatur

[1] BREER, Sebastian. Gesetz für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze. 2023.
[2] Kommunale Wärmeplanung. <https://www.bmwsb.bund.de/Webs/BMWSB/DE/themen/stadt-wohnen/WPG/WPG-node.html>
[3] Eurostat, Energy database, 2021. <http://ec.europa.eu/eurostat/web/energy/data/database>.
[4] ROHDE, Clemens. Erstellung von Anwendungsbilanzen für die Jahre 2018 bis 2020 für die Sektoren Industrie und GHD. 2021.
[5] PAPAPETROU, Michael, et al. Industrial waste heat: Estimation of the technically available resource in the EU per industrial sector, temperature level and country. Applied Thermal Engineering, 2018, 138. Jg., S. 207-216.
[6] Sächsische Energieagentur – SAENA GmbH. Technologien der Abwärmenutzung. 2. Auflage, 2016.
[7] Odyssee-Mure database, 2021. <http://www.indicators.odyssee-mure.eu/energyefficiency-database.html >
[8] KOSMADAKIS, George. Industrial waste heat potential and heat exploitation solutions. Applied Thermal Engineering, 2024, 246. Jg., S. 122957.

Titelbild: © Ralf Vetterle auf Pixabay

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