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Synergien für eine nachhaltige Weinproduktion: Die innovative Kopplung zwischen Weinbau und Algenkultivierung

Im Rahmen des vom Fraunhofer IWU in Zusammenarbeit mit Fraunhofer Portugal durchgeführten Projekts wurden bedeutende Fortschritte bei der Förderung der Nachhaltigkeit in der Weinindustrie erzielt. Das Projekt mit dem Titel „Sustainable Winery“, welches durch das Fraunhofer PACT Programm gefördert wurde, konzentrierte sich auf die Minimierung von Treibhausgasemissionen, Energieeffizienz, Wasseraufbereitung und die Verwertung von Reststoffen.

Nachhaltige Ansätze in der Weinindustrie

Während eines Arbeitsbesuchs in Portugal wurde deutlich, dass Technologien und Lösungsansätze aus Branchen wie der Automobilindustrie oder dem Maschinenbau auf die Weinbranche übertragbar sind. Diese Erkenntnis wurde in dem Artikel „Good wine from sustainable wineries – IWU working visit to Fraunhofer Portugal“ dokumentiert. In der fortlaufenden Suche nach nachhaltigen Lösungen für die Weinindustrie hat das IWU unter anderem verschiedene vielversprechende Ansätze herausgearbeitet:

  1. Intelligentes Scheduling von Produktionsaufträgen, um die Wechsel der Rebsorten im Weinbauprozess zu minimieren und somit den Wasserverbrauch zu reduzieren. Diese Idee wurde ursprünglich aus der Planung von Lackieranlagen übernommen.
  2. Untersuchung des Ausbaus erneuerbarer Energien wie Agri-PV-Anlagen in den Weinbergen als potenzielle Energiequelle, wobei hier unter anderem auch das Fraunhofer ISE aktiv ist.
  3. Intelligentes Energiemanagementkonzept, das die Nutzung batterieelektrischer Traktoren als Energiespeicher vorsieht, die tagsüber mit PV-Strom geladen und nachts während der Ernte eingesetzt werden können. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Abhängigkeit des Weinguts von fossilen Brennstoffen zu reduzieren.

Abbildung 1: Einblicke in die Prozesse der Weinkellerei

Energetische und stoffliche Kopplung von Agrarsystemen

Ein weiterer zentraler Forschungsbereich ist die energetische und stoffliche Kopplung von Agrarsystemen, speziell die Integration der Algenkultivierung in den Weinbauprozess. Dieser Ansatz steht im Einklang mit der Notwendigkeit einer umfassenden Neubewertung der landwirtschaftlichen Praktiken, um den Herausforderungen der Land- und Wasserknappheit sowie den Auswirkungen des Klimawandels zu begegnen [1]. In diesem Zusammenhang gewinnt die Gestaltung und Realisierung nachhaltiger landwirtschaftlicher Systeme, insbesondere die Suche nach Alternativen zur konventionellen Nutztierhaltung, an Bedeutung. Die Integration der Algenkultivierung in den Weinbau soll drei Hauptaufgaben erfüllen:

  1. Entwicklung einer zusätzlichen Einnahmequelle durch den Anbau von Mikroalgen für den Wiederverkauf oder die Herstellung von Produkten auf ihrer Basis.
  2. Reduzierung der CO2-Emissionen aus der Fermentation der Trauben und damit Senkung des Gesamtkohlenstoffdioxid-Ausgleichs des gesamten Unternehmens.
  3. Integration in das Energieversorgungskonzept des Unternehmens und Verwendung zum Ausgleich der stark saisonalen Energieanforderungen, indem der Anteil der lokal erzeugten erneuerbaren Energie aus PV erhöht und der Eigenverbrauchsgrad gesteigert wird.

Algen als nachhaltige Proteinquelle

Aber warum Algen? Algen sind aufgrund ihrer reichen Zusammensetzung an Proteinen, Vitaminen und Lipiden eine wertvolle Ressource für die Lebensmittelindustrie, insbesondere für die Herstellung funktionaler Lebens- und Nahrungsergänzungsmittel [2]. Sie können nachhaltig in künstlich beleuchteten Photobioreaktoren kultiviert werden. Dieser Prozess hat den Vorteil, dass er weniger Land und Wasser benötigt als herkömmliche Agrarsysteme und somit eine umweltfreundliche Alternative bietet [3]. Das Fraunhofer Leitprojekt „Future Proteins“ spielt eine entscheidende Rolle bei der Steigerung der Kosteneffizienz und der Umsetzung dieses innovativen Ansatzes. Der Artikel „Target für Mikroalgen in Future Proteins“ konzentrierte sich auf die Optimierung der Mikroalgenproduktion, um die Effizienz der Proteinproduktion zu erhöhen und die Wirtschaftlichkeit zu verbessern. Neben der Erforschung innovativer Proteinquellen aus Pflanzen, Insekten, Algen und Pilzen in nachhaltigen Agrarsystemen und deren Verarbeitung zu proteinreichen Lebensmittelzutaten wurden auch die Herausforderungen der Boden- und Gewässerbelastung durch Pestizide und Düngemittel sowie die globalen Veränderungen durch den Klimawandel adressiert.

Abbildung 2: Algenkultivierung im künstlich beleuchteten Photobioreaktor

Herausforderungen der Algenkultivierung

Allerdings wird die Verbreitung der Algenherstellung durch hohe Kosten gehemmt, die hauptsächlich aus dem erheblichen Energiebedarf und der Versorgung des Kultivierungsprozesses mit CO2 resultieren [3]. Neben der technischen Verbesserung des Systems stellt die Integration in bestehende landwirtschaftliche Systeme einen vielversprechenden Ansatz zur Senkung der Produktionskosten dar. Dies kann nicht nur synergistische Effekte erzeugen, die energetische und stoffliche Vorteile bieten, sondern auch zur Sicherstellung der Proteinversorgung beitragen und gleichzeitig die Nachhaltigkeit der Agrarproduktion fördern.

Synergien zwischen Weinbau und Algenkultivierung

Aber warum die Integration in einen Weinbaubetrieb? Es war interessant festzustellen, dass Weingüter eine attraktive Perspektive für die Integration von Photobioreaktoren bieten. Denn diese befinden sich typischerweise in Gebieten mit reichlich Sonneneinstrahlung und können potenziell Energie von hauseigenen Solarmodulen zu reduzierten Kosten nutzen.

Gleichzeitig stellt die Gärungsphase der Weinherstellung eine bedeutende Quelle für CO2-Emissionen dar, welches jedoch mittels Carbon Capture and Utilization (CCU) Technologien effektiv genutzt werden kann. CCU basiert auf der Erfassung von CO2 und dessen Verwendung als Rohstoff für die Herstellung anderer wertschöpfender Produkte durch chemische Umwandlungsprozesse [4,5]. Obwohl die meisten CCU-Strategien noch in der Forschungsphase sind, gewinnen diese derzeit sowohl in der Wissenschaft als auch in der Industrie an Bedeutung [4]. CCU-Techniken können in verschiedenen Branchen eingesetzt werden, neben der Weinindustrie beispielsweise auch in der Bierbrauerei [6]. Die CO2-Abscheidung kombiniert Energie- oder Brennstoffumwandlung mit einer Vielzahl von Trennschritten, die unterschiedliche physikalische oder chemische Methoden umfassen. Die Wahl der geeigneten Technologie hängt von mehreren Faktoren wie der Auswirkungen von Verunreinigungen, die gewünschter CO2-Reinheit, die CO2-Konzentration im Gasstrom, die Lösungsmittelregeneration sowie die Kapital- und Betriebskosten ab [7,8]. Es gibt drei Hauptmethoden zur CO2-Rückgewinnung [8]:

  1. Chemische Absorption: Verwendet chemische Lösungsmittel wie Karbonate oder Amine zur CO2-Absorption aus gasförmigen Strömen. Diese Methode eignet sich gut für Nachverbrennungssysteme und niedrige CO2-Partialdrucke.
  2. Physikalische Absorption: Nutzt physikalische Lösungsmittel zur Absorption von CO2 und sauren Gasen ohne chemische Reaktionen. Häufig in der Industrie verwendet, besonders bei der Entfernung von sauren Gasen aus Erdgas und der Produktion von Ammoniak, Methanol und Wasserstoff.
  3. Adsorption: Entfernt CO2 mithilfe von Adsorbentien wie Zeolith oder Aktivkohle aus dem Gasstrom. Diese Methode gewinnt an Bedeutung, ist aber noch in der Demonstrationsphase.

Während des Gärungsprozesses wird das freigesetzte, biogene CO2 in aufblasbaren Ballons direkt über den Gärtanks aufgefangen, gereinigt und dann mittels Kompressoren in Drucktanks verdichtet, wo es für zukünftige Anwendungen gelagert wird [9,10]. Diese Technik bezieht sich auf die Methode der Adsorption und wurde aufgrund ihrer Anwendung in Brauereien und der Bedeutung für die Algenkultivierung ausgewählt, da eine hohe Reinheit des CO2 für die Lebensmittelproduktion entscheiden ist [9,10]. Das erfasste CO2 kann verschiedene Verwendungen haben als Rohstoff in der Herstellung von Kraftstoffen, Karbonaten, kohlensäurehaltigen Getränken oder in diesen Fall sowohl als Nährstoff für die Algenkultivierung in Photobioreaktoren als auch zur Reinigung und Desinfektion der Systeme [5,11,12,13]. Um Kontaminationen zu vermeiden, wird CO2 während des Spülens der Anlage zugeführt, um die Einführung von nicht steriler Umgebungsluft zu unterbinden [13]. Obwohl die Fermentation nur 5,7 – 6,4 % des gesamten CO2-Fußabdrucks der Weinproduktion ausmacht, könnte die Ausrichtung auf diese Phase zum Gesamtziel der Erreichung der netto null Kohlenstoffemissionen beitragen [14]. Diese Strategie fügt sich nahtlos in die Prinzipien einer kreislauforientierten und nachhaltigen Weinproduktion ein.

Abbildung 3: Verbindung zwischen Weinproduktion und Algenkultivierung durch CO2-Rückgewinnung im Gärungsprozess

Perspektiven und nächste Schritte

Nach der theoretischen Konzeptionierung im Rahmen des Projekts steht nun die Aufgabe bevor, den erarbeiteten Lösungsansatz durch eine detailliertere Analyse zu verifizieren und weiterzuentwickeln. Dies umfasst die Untersuchung der technischen und wirtschaftlichen Eignung der CO2-Abscheidung im Gärungsprozess sowie deren Nutzung für die Algenkultivierung. Zusätzlich soll geprüft werden, ob die Wirtschaftlichkeit der Algenproduktion verbessert und die Treibhausgasemissionen aus der Weinkellerei reduziert werden können. Ferner werden weitere Forschungen zur Erweiterung der lokalen Energieerzeugung in einer Weinkellerei und deren Auswirkungen auf die Wirtschaftlichkeit analysiert.

Literatur

[1] FAO, 2018. Future of Food and Agriculture: Alternative pathways to 2050, Rome

[2] Esteves, A.F., Almeida, C.J., Gonçalves, A.L., Pires, J.C., 2020. Microalgae harvesting techniques, in: Handbook of Microalgae-Based Processes and Products. Elsevier, pp. 225-281

[3] Stange, M., Tieding, M., Brinitzer, G., Ihlenfeldt, S., 2023. Target Costing as an Approach to reduce Costs in closed-loop Agriculture Systems – Application for the Cultivation of Algae in Photobioreactors. Procedia CIRP 116, 372-377.

[4] Zhang, Zhien u. a. (2020): Advances in carbon capture, utilization and storage, in: Applied Energy, 278.Jg.

[5] Gueddari-Aourir, A. u. a. (2022): The carbon footprint balance of a real-case wine fermentation CO2 capture and utilization strategy, in: Renewable and Sustainable Energy Reviews, 157.Jg.

[6] Rodin, V., Lindorfer, J., Böhm, H., Vieira, L., 2020. Assessing the potential of carbon dioxide valorisation in Europe with focus on biogenic CO2. Journal of CO2 Utilization 41, 101219.

[7] White, Curt M. et al. (2003): Separation and capture of CO2 from large stationary sources and sequestration in geological formations–coalbeds and deep saline aquifers, in: Journal of the Air & Waste Management Association (1995), Vol.53, No.6, pp. 645-715.

[8] Garcia, Jose Antonio u. a. (2022): Technical analysis of CO2 capture pathways and technologies, in: Journal of Environmental Chemical Engineering, 10.Jg., Nr.5, S.108470.

[9] Buchhauser, U.J., 2010. Entwicklung und Optimierung eines neuen Verfahrens zur Abtrennung von Permanentgasen aus CO2-Gärungsgas mit einem CO2-Kältekreislauf, Munich.

[10] Großer, A., 2006. Thermodynamische Modellierung der Rückgewinnung von Gärungs-CO2 und Kostenreduzierung des Prozesses durch Einsatz des Kältemittels CO2, Munich.

[11] Williamson, Phil (2016): Emissions reduction: Scrutinize CO2 removal methods, in: Nature, Vol.530, No.7589, pp. 153-155.

[12] EBA European Biogas Association (2022): Biogenic CO2 from the biogas industry. A mature business opportunity to enhance sustainable carbon cycles and untap the circularity and climate benefits of biogas production, URL: https://www.europeanbiogas.eu/wp-content/uploads/2022/10/Biogenic-CO2-from-the-biogas-industry_Sept2022-1.pdf, Stand: 7. Februar 2024.

[13] Derwenskus, Felix (2020): Entwicklung und Bewertung eines Verfahrens zur Herstellung von Fucoxanthin und Eicosapentaensäure mit Phaeodactylum tricornutum.

[14] Pinto da Silva, L., Esteves da Silva, J.C.G., 2022. Evaluation of the carbon footprint of the life cycle of wine production: A review. Cleaner and Circular Bioeconomy 2, 662-676.

Jennifer Greim

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