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DFG-gefördertes Transferprojekt: Prozess-sensitive Thermo-Korrektur durch Mehrphasen-Arbeitsraummodelle

Optimierung von Werkzeugmaschinen: Präzision neu definiert! Wie können wir die Genauigkeit von Werkzeugmaschinen weiter erhöhen und gleichzeitig die schwankenden Temperiereffekte von Kühlschmierstoffverteilungen (KSS) in Korrekturalgorithmen meistern? In diesem Artikel stellen wir ein innovatives Transferprojekt vor, das darauf abzielt, diese komplexen Fragestellungen anzugehen und die Fertigungsqualität signifikant zu verbessern. Seien Sie gespannt auf neue Ansätze und Lösungen!

Es besteht nach wie vor das adressierte Problem, dass während der Bearbeitung, insbesondere mit Kühlschmierstoffen (KSS), die Bedingungen im Arbeitsraum sehr schnell und stark schwanken. Aus den Erkenntnissen des Sonderforschungsbereichs SFB/TR 96 [1] wurde bereits intensiv untersucht, wie die Konvektion bei Trockenbearbeitungsvorgängen aussieht. Für die Nassbearbeitung konnten bisher nur für eine beispielhafte KSS-Verteilung im Arbeitsraum die Wärmeübergangskoeffizienten (HTCs) simuliert werden, jedoch sind die Wärmeübergänge bei dynamisch variierenden KSS-Verteilungen und bewegten Maschinenachsen derzeit nicht bestimmbar und somit in keinem Korrekturmodell berücksichtigt.

Einfluss von Umgebungswechselwirkungen

Der Einfluss der äußeren Umgebung (Jahreszeiten, Hallentor auf und zu, Sonneneinstrahlung, usw.) wird durch freie und erzwungene Konvektion sowie Wärmeleitung zum Fundament geprägt und wurde im SFB/TR 96 im Teilprojekt (TP) B09 [1], [3] bereits simulativ und experimentell untersucht. Es zeigt sich, dass der Arbeitsraum spanender Werkzeugmaschinen während der Zerspanung ständigen Temperaturänderungen durch situativ-konvektive Einflüsse unterliegt, die in der Trocken-, Nassbearbeitungs- und Abkühlungsphase auftreten und zu unterschiedlichen thermischen Verhaltensweisen führen. Das Forschungsfeld in TP B09 umfasste die Untersuchung als auch simulierte Abbildung des Einflusses von Kühlschmierstoffen (KSS) und Spänen auf das thermische Verhalten von Werkzeugmaschinen, welches in die Arbeiten des Transferprojekts T12 einfließen.

Simulation der Kühleffekte im Arbeitsraum

Im TP B09 konnte nur eine rudimentäre Abbildung der Kühlung durch die Manipulation der konvektiven Wärmeübergänge auf der Oberfläche umgesetzt werden. Es wurden hierbei mit stationären CFD-Simulationen erzwungene konvektive HTCs an den Wänden innerhalb des Arbeitsraums berechnet. Exemplarische HTC-Konturen an den Arbeitsraumwänden unter Anwendung von KSS und Absaugung sind in Abbildung 1 (b) zu sehen. Komplexere Phänomene wie Phasenübergänge des KSS-Luft-Gemisches, Verdunstungskühlung, die Wechselwirkungen zwischen Kühlung und Absaugung sowie schnelle Wechsel zwischen Trockenbearbeitung und verschiedenen Kühlstrategien treten während der Bearbeitung auf, können jedoch aus Zeitgründen im Rahmen des SFB/TR 96 nicht weiter untersucht werden. Diese Aspekte sollen im bewilligten Transferprojekt T12 zusammen mit dem Industriepartner DMG MORI in Seebach untersucht, modelliert und experimentell validiert werden.

Abbildung 1 – (a) CAD-Modell des Arbeitsraumes (b) HTCs aus CFD-Simulation mit/ohne KSS

Die hohe Dynamik der Fluidströmung im Arbeitsraum resultiert aus den verschiedenen KSS-Anströmungsrichtungen und der Rotation des Bearbeitungswerkzeugs. Das spiralförmige Werkzeug erzeugt beim Kontakt mit dem Kühlmittel Verwirbelungen und damit eine hochturbulente Fluidströmung, was gewisse Limitierungen bezüglich der Darstellbarkeit und Auflösung der Strömung mit sich bringt. Die Modellierung der fluiddynamischen Effekte eines Kühlmittelstrahls, der auf eine komplexe rotierende Oberfläche (Freiformfläche oder Fräser-Oberfläche) trifft, erfordert einen sehr hohen Rechenaufwand. Deshalb ist eine Vereinfachung der Modellierung des Arbeitsraums (ohne explizit modellierte Festkörper) in unmittelbarer Nähe zum Fräswerkzeug notwendig, ohne die Aussagekraft zur Abbildung der fluiddynamischen Vorgänge der Zweiphasenströmung signifikant zu reduzieren. Zudem ist eine Transformation der bestehenden Modellierungstechnik von einer transienten hin zu einer statischen Beschreibung der Strömung im werkzeugnahen Arbeitsraum geplant, die eine nachfolgende Integration in das übergeordnete Modell des gesamten Arbeitsraums ermöglicht. Dies erfolgt durch die Übergabe der Randbedingungen in Form von Strömungsgeschwindigkeiten (in x-, y-, z-Richtung) und Volumenanteil (gasförmig, flüssig), die im werkzeugnahen Teilmodell berechnet werden und als Randbedingungen für das CFD-Modell des gesamten Arbeitsraums dienen. Im Arbeitsraummodell werden vor allem der Einfluss der dynamischen Achsbewegungen auf das Temperaturverhalten in Abhängigkeit verschiedener Lastfälle im Fokus stehen. Die resultierenden Wärmeübergangskoeffizienten ergeben die Randbedingungen für das Gesamtmodell zur Berechnung der thermo-elastischen Verlagerungen des Maschinengestells und am Tool Center Point (TCP).  Die Gesamtvorgehensweise der Modellbildung ist in Abbildung 2 dargestellt. Das Werkstück wird dabei zunächst vernachlässigt. Dessen Einfluss auf das Strömungsfeld am Werkzeug wird später separat untersucht.

Abbildung 2 – Modellierungsansatz und Simulation des Arbeitsraums einer Werkzeugmaschine

Erweiterung der Kennfeldkorrektur

Zur Verbesserung der thermischen Genauigkeit sollen die entwickelten Modelle durch eine Erweiterung der kennfeldbasierten Korrektur [2] in eine genauere Vorhersage der thermisch bedingten TCP-Verlagerung unter Produktionsbedingungen einfließen. Eine modellordnungsreduzierte Prozesssimulation im Arbeitsraum soll eine große Menge realistischer Prozessdaten für ein angepasstes und verbessertes Design sowie Training der Korrektur-Kennfelder erzeugen.

Die Modellierung der genannten Phänomene erfolgt durch eine Mehrphasenströmungssimulation in ANSYS CFX/FLUENT, die genauere thermische Analysen des Arbeitsraums ermöglichen [4]. Methoden der hochaufgelösten thermo-elastischen Simulation (TP B09) und der Thermofluiddynamik im Bereich des rotierenden Werkzeugs  aus TP A01 [1] werden in das Projekt integriert.

Praktische Validierung

Für die praktische Validierung der Forschungsarbeiten stellt DMG MORI ein Bearbeitungszentrum DMU 80 eVo mit projektspezifischen Modifikationen, wie beispielsweise zusätzlichen Temperatursensoren für den Arbeitsraum, Volumenstromsensoren für eine regelbare KSS-Anlage und einer Absauganlage, zur Verfügung. DMG MORI wird die Entwicklung und Validierung der Prozesssimulation und Thermokorrektur anhand industrierelevanter Lastfälle durch Experimente zum KSS-Verhalten im Arbeitsraum unterstützen. Ziel ist die Verbesserung der thermischen Genauigkeit der Maschinen durch die Etablierung eines neuen prozessabhängigen Korrekturverfahrens. Als Sekundärziel sollen die realistischen Prozesssimulationen ebenfalls zur energetischen und thermischen Optimierung der Kühl- und Absaugsysteme im Arbeitsraum genutzt werden. DMG MORI wird die optimierten Prozessparameter durch steuerungsinterne Anpassungen der entsprechenden Systeme erproben und validieren sowie die erreichten Energieeinsparungen messen und dokumentieren.

Die Laufzeit des Projektes ist von 2024-2026 vorgesehen.

Literatur:

[1] Willkommen beim SFB/TR 96 | SFB/Transregio 96 (tu-dresden.de)

[2] C Naumann, J Glänzel, M Dix, P Klimant, S Ihlenfeldt. Optimization of Characteristic Diagram based Thermal Error Compensation via Load Case Dependent Model Updates, XXXIII CIRP Sponsored Conference on Supervising and Diagnostics of Machining Systems, Karpacz, 2022

[3] T S Kumar, J Glänzel, R Tehel, M Putz. Experimental Validation of Characteristic Diagram- Parameterization for Environment-Induced Thermal Interactions on Machine Tools in a Climate Chamber, 14th CIRP Conference on Intelligent Computation in Manufacturing Engineering, Gulf of Naples, Italy, 2020

[4] C Nauman, A Geist, J Glänzel, C-D Schmidt, T S Kumar, S Ihlenfeldt. Comparison of CFD Modelling Technique for Tool Cooling and Thermal Tool Deformation, XXXV Sponsored Conference on Supervising and Diagnostics of Machining Systems, Karpacz, 2024

Quelle Titelbild: Unsplash

Janine Glänzel

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